Montag, 2. Oktober 2017
Leseprobe aus Equinox
Eine
schwerwiegende Entscheidung
»Also jetzt, wo wir hier sind, können wir doch auch
eigentlich direkt wieder gehen …, oder?« Das Unbehagen in meiner Stimme war
nicht zu überhören.
»Levi … du bist ein Mann. Jetzt benimm dich auch so
und geh da rein! Du tust ja gerade so, als ob ich dich für eine Kastration
angemeldet habe!« Mein bester Freund Jake sah mich warnend an.
Ich hatte schon mit ihm im Auto diskutiert, weil ich
wirklich Zweifel hatte, ob ich diesen Schritt wagen sollte. Ich hatte Angst
davor, zu versagen. Bisher hatte ich mir immer eingeredet, jederzeit aufhören
zu können und mal kurz eine Therapie zu machen. Doch was passierte, wenn
ich abbrach? Dann hatte ich die Sicherheit, dass ich nie mehr von der Nadel
wegkam!
»Soll ich mit rein kommen?«
»Nein. Danke fürs Fahren.« Ich nahm meine Tasche und
hing sie mir über die Schulter.
»Ich rufe dich morgen an. Und wenn das hier alles
vorbei ist, dann hole ich dich ab.«
Ich nickte ein wenig. So weit in die Zukunft konnte ich
noch gar nicht sehen. Schon jetzt hatte ich nasse Handflächen, obwohl ich vor
einer halben Stunde erst einen Joint durchgezogen hatte. Kurz hob ich die Hand
zum Abschied und ging mit bedächtigen Schritten auf die Tür der Entzugsklinik
zu.
Das hier sollte also mein Zuhause für die nächsten
Tage werden? Ich war skeptisch. Sehr skeptisch …
Nachdem ich geklingelt hatte, öffnete eine recht junge
Frau die Tür und sah mich freudestrahlend an.
»Hi! Mein Name ist Seline Kenneth. Ich bin
Auszubildende in der Gesundheits- und Krankenpflege. Sie müssen die Neuaufnahme
sein! Kommen Sie doch rein!«, grüßte sie mich und schüttelte mir die Hand.
»Hallo. Levi Pryce …«, murmelte ich ein wenig
überrumpelt. Mit so viel Überschwänglichkeit konnte ich gerade gar nicht
umgehen.
Sie hielt mir die Tür auf. Nachdem ich den ersten
Schritt rein gemacht hatte, fiel das Holz hinter mir ins Schloss und ich fühlte
mich irgendwie eingesperrt – auch wenn es mir jederzeit frei stand zu gehen!
Sie nahm mir meine Tasche ab, wobei ich die eigentlich
erst gar nicht hergeben wollte. Da war immerhin fast alles drin, was ich besaß!
»Kommen Sie mit. Bevor Sie zu den anderen Patienten
können, muss ich Ihre Sachen filzen.« Da bog die Auszubildende auch schon in
einen separaten Raum ab und stellte meine Tasche auf eine Liege, zog sich
Handschuhe an und durchwühlte meine Sachen.
»Sie können sich schon mal ausziehen«, meinte sie
beiläufig und schenkte mir einen kurzen Blick, während sie gerade eine meiner
Hosen kontrollierte.
»Wie jetzt?«, antwortete ich wie aus der Pistole
geschossen.
»Na, ich muss doch die Sachen, die Sie am Leib tragen,
auch durchsuchen. Die Unterhose können Sie anlassen«, kam es von ihr wie
selbstverständlich.
Deutlich unwohl in meiner Haut zog ich meine Jacke und
mein Oberteil aus. Auch wenn die Hemmschwelle durch den Konsum um einiges
gesunken war, kam es mir äußerst komisch vor, einfach mal vor einer Fremden in
Boxershorts zu posieren. Ich zog meine Schuhe aus, öffnete den Gürtel und ließ
die Hose auf den Boden gleiten. Mit gemischten Gefühlen streckte ich ihr die
Sachen entgegen.
»Socken auch«, meinte sie knapp und fing an, meine
Kleidung zu filzen, die ich gerade noch am Körper getragen hatte.
Ich zog also auch meine Socken aus und reichte sie
ihr. Es war für mich ein Rätsel, warum das sein musste. Wenn ich mich für einen
Entzug entschieden hatte, dann nahm ich doch keine Drogen mit, oder? Doch es
schien wohl seine Gründe zu haben, warum es zum üblichen Verfahren gehörte.
Plötzlich ging die Tür auf und eine ältere Frau stand
im Zimmer. Musste sich jetzt jeder den neuen Typen in Unterhosen begucken, oder
was?!
»Sie können sich jetzt die Hose wieder anziehen«,
meinte Seline mit einem Lächeln und streckte mir die Jeans entgegen.
Sofort zog ich mir den Stoff wieder über die Beine und
fragte mich, warum ich mein Oberteil nicht wieder anziehen durfte.
Doch da schmiss die ältere Frau auch schon meine
Sachen ziemlich unsanft auf den Boden.
»Legen Sie sich hin«, kam es im Befehlston, sodass ich
sie ungläubig ansah.
»Wer sind Sie überhaupt?«, entgegnete ich ein wenig
erbost. Auch wenn ich ein Patient und nicht auf völliger geistiger Höhe war,
konnte sie mich ja wohl normal behandeln. Antipathie konnte ich auch völlig
zugedröhnt empfinden.
»Ich bin Schwester Martina! Wir machen jetzt ein EKG
und dazu müssen Sie sich hinlegen. Unsere Schülerin kann das leider noch nicht
alleine.«
Bei den letzten Worten sah ich zu Seline, die ein
wenig kleiner wurde. Vermutlich hatte auch sie den Unterton rausgehört, der den
letzten Satz fast wie einen Vorwurf klingen ließ. Na das konnte ja noch heiter
werden! Mit skeptischer Miene legte ich mich auf die Krankenliege und wartete
auf das, was da kam.
Die beiden Damen standen nun vor mir und sahen auf
mich herab.
Kein allzu tolles Gefühl.
»Warum machen wir denn jetzt ein EKG? Bin ich krank?!«
Soweit ich wusste, hatte ich keinen Herzfehler und ich verstand diesen Aufwand
nicht.
»Weil es Standard ist«, entgegnete Martina in rauem
Ton.
»Aha. Wenn es im Standard steht, dass Sie die
Patienten von der nächsten Brücke schmeißen sollen … machen Sie es doch aber
nicht, oder?« Ein kleiner Witz, der die Spannung auflockern sollte.
Seline musste grinsen, jedoch starrte mich Martina mit
einem tödlichen Blick an.
Memo an mich selbst: Keine Witze über die Standards
machen. Zumindest nicht, wenn die Spaßbremse dabei war.
»Durch Drogenkonsum kann es zu Herzschädigungen
kommen. Der Entzug ist für den Körper extrem anstrengend und zusätzlich gibt es
hier noch eine Fitnesstherapie, an der Sie teilnehmen werden. Um Sie und uns
vor Komplikationen abzusichern, wird also vorher ein EKG gemacht.«
»Danke, Seline.« Erneut ein giftiger Blick von
Martina, den ich direkt mit einem zuckersüßen Lächeln konterte. Hoffentlich
hatte ich mit dem Drachen nicht allzu viel zu tun!
Seline schmunzelte vor sich hin, während Martina ihr
mit ein paar Sätzen erklärte, wo man die Elektroden platzierte. Ich hatte es
nicht wirklich verstanden, jedoch nickte die Schülerin eifrig.
Martina begann, die Klebedinger auf meinen Brustkorb
zu kleben.
Ich sah an Selines Gesichtsausdruck, dass sie genau
dasselbe dachte wie ich. Ich hatte zwar keinen Pelz auf der Brust, jedoch
wuchsen da schon einige Härchen!
»Soll man die Härchen nicht vorher wegrasieren? Zwecks
Leitungsfähigkeit und weil es dem Patienten dann beim Abziehen weniger weh
tut?«, fragte sie recht leise.
An Martinas Stirn pochte schon eine Zornader. Sie
antwortete nicht und schrieb das EKG.
Ich konnte nicht verhindern, dass ich ein wenig
darüber grinsen musste, wie ignorant sich die Älteste im Raum doch anstellte.
Kurz darauf wurde ich auch schon wieder von den Geräten getrennt.
»Sie können sich jetzt die Elektroden entfernen, sich
anziehen und dann nimmt Sie unsere Schülerin auf.« Und mit den Worten war sie
auch schon aus dem Raum verschwunden.
»Wow. Sehr herzliche Persönlichkeit«, murmelte ich
triefend vor Sarkasmus. Ich setzte mich auf und zog mir mit einem Ruck die
Klebeelektroden runter, was ganz schön zwiebelte. Da musste man(n) jetzt wohl
durch!
Seline schmunzelte ein wenig vor sich hin. Schien wohl
schadenfroh zu sein, die Kleine.
»Ziehen Sie sich bitte an. Dann gehen wir in den
Nebenraum. Die Sachen können hier bleiben«, wies sie mich an.
Ohne groß zu trödeln zog ich mich wieder komplett an
und folgte ihr in das Aufnahmezimmer.
Ein Schreibtisch, ein PC und zwei Stühle. Ich setzte
mich auf eine der Sitzgelegenheiten, während Seline vor dem PC Platz nahm.
Heutzutage ging ja nichts mehr ohne EDV!
»Okay. Ihre Stammdaten sind ja schon aufgenommen. Wir
müssen noch ein paar Dinge klären, die für die Behandlung relevant sind.«
Ich nickte einfach nur zur Bestätigung.
»Was und wie viel haben Sie in der letzten Zeit
konsumiert?«
Sofort kratzte ich mich nachdenklich am Kopf. Gute
Frage. Da musste ich erst mal überschlagen.
»So circa zwanzig Gramm Cannabis in der Woche.
Mindestens ein Schuss Heroin am Tag. Kann nicht genau sagen, wieviel genau das
war. Hin und wieder auch Speed oder Meth – aber nicht regelmäßig.« Wenn ich mir
das jetzt vor Augen führte, konnte ich wohl wirklich froh darüber sein, dass
ich überhaupt noch lebte. Ein wenig bedröppelt sah ich auf den Boden, jedoch
war mir der Ernst der Lage noch immer nicht so ganz bewusst. Das THC im
Hinterkopf sorgte für eine Sicht durch einen Watteschleier.
»Oh okay …« Seline notierte fleißig meine Aussagen.
»Und wie ist das Verhältnis zu Familie und Freunden? Wissen die von Ihrer
Sucht?«
Es dauerte erneut, bis ich antwortete. Ich hatte ja
damit gerechnet, dass hier klein säuberlich meine Vergangenheit aufgewirbelt
wurde, aber es war wirklich nicht leicht, so offen mit einer fremden Person
darüber zu reden. Natürlich war mir Seline da um einiges lieber als die
mürrische Martina – dennoch blieb sie eine Fremde.
»Familie habe ich nicht mehr. Meine Eltern sind kurz
vor meinen vierzehnten Geburtstag bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Keine
Geschwister und keine anderen Verwandten, von denen ich wüsste. Ich habe viele
Bekannte aus der Szene, aber die würde ich jetzt nicht unbedingt als Freunde
bezeichnen …« Die Karten jetzt einfach offen auf den Tisch zu legen, tat weh.
Ich hatte mich noch nie mit dem Tod meiner Eltern auseinandergesetzt und wollte
es eigentlich auch nicht, doch vermutlich würde man hier darauf hinarbeiten.
»Wer hat Sie denn hierher gefahren? Ich habe vorhin
einen Mann gesehen, der Sie abgesetzt hat?«
»Ja. Das war Jake. Er ist mein bester und irgendwie
auch einziger Freund. Wir kennen uns noch nicht so lange.« Gerade darum war es
mir sehr unangenehm gewesen, mich von ihm zum Entzug fahren zu lassen.
Irgendwie war der Gedanke albern, weil er mich erst dazu überredet hatte, es zu
versuchen. Logik war noch nie so meine Stärke.
»Konsumiert er auch?«, hakte Seline nach.
»Nein. Wir haben uns in einer Bar kennengelernt, als
ich knapp mit dem Stoff war. Hätten uns fast geprügelt, weil ich so mies drauf
war, aber letztendlich hat er mir ein Bier ausgegeben und wir haben uns gut
unterhalten.«
Seline nickte verstehend und machte sich weiterhin
Notizen.
»Warum konsumieren Sie?«
Ich seufzte auf. Na, die Fragen wurden ja immer
besser! Warum zog sie mich nicht gleich bis auf die Unterhosen aus? Ach ja …
das hatte sie ja schon!
»Ich war schon vor dem Tod meiner Eltern in einem
Freundeskreis, wo es üblich war, mal einen durchzuziehen. Dann kam dieser
Vorfall und danach wollte ich nur noch vergessen. Ich bin in einem Heim
aufgewachsen, was nicht leicht war, und bin nie wieder aus der Schiene
rausgekommen. Ich kenne nichts anderes«, murmelte ich vor mich hin. Es war
jedoch nur die halbe Wahrheit. Es gab auch noch andere Faktoren, die mich
überhaupt in diesen Freundeskreis getrieben hatten, aber das tat hier ja wohl
nichts zur Sache, oder?
»Gut. Dann war es das erst einmal mit den Fragen. Ich
gebe die Infos ans Team weiter. Sie können jetzt in Ruhe auspacken und sich
hier einleben. Wir teilen Ihnen dann später mit, wie viel Methadon Sie am
Anfang als Ersatzstoff bekommen. Ich stelle Ihnen eben Ihren Bezugspatienten
vor, der führt Sie dann rum.«
Ich war echt heilfroh, dass dieser Seelenstrip nun
endlich vorbei war. Eigentlich hatte ich doch nur in einem geschützten Umfeld
von den Drogen loskommen wollen und jetzt hatte ich den Salat und wurde
scheinbar auch noch therapiert! Natürlich hatte ich Baustellen, aber ich wollte
erst einmal klar im Kopf sein, bevor ich die nächsten Schritte anging.
Seline gab mir meine Sachen aus dem Nebenraum zurück
und führte mich in einen Raum, der voller Zigarettenqualm war.
Mir brannten sofort die Augen und ich musste einige
Male blinzeln, um überhaupt irgendetwas zu erkennen.
Es saßen sieben Leute in einer Sitzecke. Vier Frauen
und drei Männer – offensichtlich alle russischer Abstammung.
»Sergej. Würden Sie bitte Ihrem neuen Mitpatienten die
Station zeigen und ihm die Hausregeln erklären?«, kam es von Seline, die mit
mir bei der Truppe stehen blieb.
Er war nicht begeistert. So viel konnte ich trotz
Qualm an seiner Mimik ablesen.
»Da …«, knurrte Sergej fast.
Seline ignorierte die Tatsache gekonnt, dass er ihr
und auch mir gerne am liebsten ins Gesicht gesprungen wäre. Sie verließ einfach
den Raum und ließ mich in der Höhle des Löwen allein.
Wie bestellt und nicht abgeholt stand ich mit meinem
Rucksack da und wurde von allen ziemlich düster angestarrt.
»Hi. Ich bin Levi.« Ich hob kurz die Hand zum Gruß und
wusste nicht so recht, ob ich mich jetzt einfach dazusetzen sollte.
In den ersten Sekunden bekam ich keine Reaktion. Sergej
starrte mich einfach, genau wie die anderen, an, erhob jedoch dann das Wort.
Ich verstand jedoch nicht, was er sagte, da er auf
Russisch sprach und mich dabei hämisch angrinste.
»Ich spreche leider kein Russisch. Sorry…«, grummelte
ich leise. Es war nicht leicht, nun ruhig zu bleiben. Ich hoffte jedoch, dass
er einfach versehentlich in seiner Muttersprache gesprochen hatte.
Die Hoffnung starb schnell. Doch dieses Mal hörte ich
ganz klar das Wort Durak raus.
Sergej sah mich noch immer mit einem spöttischen Blick
an, während der Rest der Truppe lachte.
Da ich das Spiel ›Durak‹ kannte, war klar, dass er
gerade keine Lobeshymne auf mich hielt.
»Hör mal zu, Kanisterkopf! Ich habe keinen Bock, mich
hier von dir verarschen zu lassen, okay?«
Und schon war Sergej wutentbrannt aufgesprungen und
stand mit mir Nasenspitze an Nasenspitze.
»Du solltest aufpassen, mit wem du dich hier anlegst,
Kindchen!«, fauchte er mit russischem Akzent.
»Mit achtundzwanzig Jahren bin ich kein Kind mehr.
Keine Ahnung, ob das in eurem Land anders ist, aber ich bin ein Mann im besten
Alter. Kannst dich vermutlich nicht mehr an die Zeit erinnern. Ist bei dir
offensichtlich schon länger her.« Nun, weiterzustochern war sicherlich keine
gute Idee, jedoch konnte ich bei solchen Provokationen nur selten den Mund
halten.
Ich bin mir sicher, dass Sergej gerade zum Schlag
ausholen wollte, als mich irgendjemand am Arm aus der russischen Front zog und
irgendwas von wegen Er ist noch voll drauf! Ignoriert ihn einfach!
brabbelte.
Mein Retter zerrte mich aus dem Raum und hatte
einen hochroten Kopf. Meine Brauen hoben sich direkt fragend. Der Typ war
vielleicht ein paar Jahre älter als ich, hatte rote Haare und weiche
Gesichtszüge, die es mir schwer machten, jetzt auf ihn böse zu sein.
»Und du bist?«, wollte ich ein wenig missmutig wissen.
»Joshua«, stellte er sich knapp vor und stemmte die
Hände in die Hüften. »Und kein Problem, dass ich dir gerade den Arsch gerettet
habe«, schob er noch mal völlig ironisch hinterher.
»Ja. Danke … schätze ich.« Es war eine Tatsache, dass
mich dieser Typ gerade vor einer Rauferei und vor dem sicheren Rausschmiss
gerettet hatte, doch das wollte sich mein eigener Stolz gerade nicht so recht
eingestehen.
»Ich bin Levi«, stellte ich mich dann ebenfalls vor
und bemühte mich, nicht mehr ganz so angefressen zu klingen.
»Also du hältst dich am besten von Sergej und den
anderen Russen fern. Die haben hier ihr eigenes Ding laufen. Die sind eine
Gruppe in der Gruppe. Weißt ja wie das ist …« Er zuckte mit den Schultern und
entspannte seine Haltung wieder. »Komm, ich zeige dir alles. Sergej wird dir
nach dem Auftritt sicherlich nur seine Faust näher bringen wollen«, witzelte
der Rotschopf und grinste.
Ich sah ihn nüchtern an, jedoch hoben sich meine
Mundwinkel ein wenig.
»Hauptsache, ich muss mit dem nicht in einem Zimmer
schlafen.«
Das wäre echt das Grauen! Da wusste man echt nicht, ob
man am nächsten Tag wieder aufwachte. Zudem war der Aufenthalt hier auch ohne
Anfeindungen schon stressig genug für mich!
»Genau genommen sind wir Zimmernachbarn. Also hast du
wohl Glück gehabt. Komm mit!«
Schon ein wenig erleichtert, folgte ich dem
schlaksigen Mann über den Flur. Wir gingen in den ersten Stock, wo er mir die
Räumlichkeiten zeigte. Duschen, Toiletten, ein paar Büroräume und schließlich
das Zimmer, welches ich mit ihm teilen sollte.
Es prangten schon die Namensschilder an der Tür, was
mir nicht sonderlich gefiel. Das Zimmer war mit zwei Betten, zwei Schränken,
zwei Nachttischen, Waschbecken, Schreibtisch und zwei Stühlen ausgestattet. Die
Fenster ließen sich nur auf Kipp öffnen – zumindest gingen sie überhaupt auf!
Joshua gab mir Zeit, meine Sachen auszupacken, und
zeigte mir schließlich noch den Rest der Station. Gruppenräume, Speisesaal,
Dienstzimmer und Garten.
Der Tag klang relativ gelassen aus. Mir wurde Zeit
gegeben, mich ein wenig einzuleben.
Am Abend bekam ich die erste Methadondosis. Ich war
ein wenig enttäuscht, dass ich davon kein Hochgefühl bekam, jedoch breitete
sich wieder das Gefühl von Unbekümmertheit aus.
Als ich auf dem Bett lag, hörte ich innerhalb von ein
paar Minuten Joshua schnarchen. Wenn man es genau nahm, war es nicht mal mehr
ein Schnarchen. Es war, als ob jemand mit einer Kettensäge hantierte! Doch
zumindest in der ersten Nacht sollte mich das nicht kümmern. Ich fühlte mich
wieder wie in Watte gepackt und konnte trotz derben Störgeräuschen schnell
einschlafen.
Ich träumte in dieser Nacht absolut gar nichts. Ich
war mir nicht einmal sicher ob es Schlaf gewesen war oder doch ein halbes Koma.
»MORGEN! AUFSTEHEN!«
Plötzlich saß ich kerzengerade im Bett und starrte zur
Tür, sah jedoch nur noch, wie eine Hand den Lichtschalter betätigte und die Tür
wieder schloss. Ich rieb mir durchs Gesicht und versuchte mich von dem Schreck
zu beruhigen.
Equinox
Roman
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen